Wo kommen die Worte her?

Baby & Kleinkind
Wo kommen die Worte her? - © LenaMiloslavskaya,...
Mit eineinhalb Jahren kann ein Baby schon etwa 50 Wörter sprechen – seine Sprachentwicklung ist  längst in vollem Gang. Damit sie nicht stehen bleibt, ist Kommunikation mit dem Nachwuchs angesagt. Wer nicht weiß, was genau er mit seinem Windel­puper reden soll, greift einfach zu den ersten Bilderbüchern.

Bücher. Das sind diese meist unhandlichen und schweren Teile aus Papier. Hier wird geblättert statt gewischt. Es gibt nichts zum Tippen, und die Bilder bewegen sich nicht. Würde ich es heute anders machen als vor fünfzehn Jahren, als unser Haushalt noch tablet- und smartphonefrei war? Ich glaube nicht. Als wir begannen, Bilderbücher zu schauen, konnte mein Sohn noch nicht mal sicher stehen. Gerade abends, wenn ich nicht mehr konnte, und er noch mal so richtig aufdrehte, war Bücherzeit – und schnell Ruhe. Eingekuschelt ging er mit mir auf Entdeckungsreise in die Welt der Geschichten. Unzählige Abende verbrachten wir mit dem großen Bilderbuch „Erste Bilder – Erste Wörter“ von Helmut Spanner. Das gibt es heute noch – als Sonderausgabe. Obwohl die Bilder auf den dicken Pappseiten inzwischen etwas antiquiert anmuten, und viele Gegenstände, die heute zur kindlichen Erfahrungswelt gehören, nicht vertreten sind. Trotzdem sind darin viele tolle Dinge anzuschauen – und zu benennen. Mehr als 250 Begriffe können Kinder mit diesem Buch lernen. Warum das so wichtig ist, zeigt eine aktuelle GfK-Studie zur Lesekompetenz von Grundschülern. Danach können 19% aller Viertklässler noch nicht richtig lesen. 80% aller Deutschen halten aber Bücher für das adäquate Medium, um die kindliche Lesekompetenz zu fördern. Ich hoffe nur, dass sie alle ihren Kindern auch ein Buch in die Hand drücken, ihnen regelmäßig vorlesen oder mit ihnen zusammen eine Buchhandlung oder die örtliche Bücherei besuchen, um sie für Bücher und das Lesen zu begeistern.

Beim Vorlesen in andere Welten reisen

Unter mangelnder Sprach- und Lesekompetenz leiden in der Schule auch die übrigen Fächer, weil der Schlüssel zum Textverständnis fehlt. Natürlich ist es bequemer, sich mit dem Nachwuchs auf’s Sofa zu kuscheln und einen Film zu schauen als ein Buch in die Hand zu nehmen. Und genau so, wie man nach einem langen Tag keine große Motivation mehr für sportliche Aktivitäten hat, erscheint auch das Buchstabieren und womöglich noch laut Vorlesen erst einmal anstrengend. Aber wer gemeinsam mit seinen Kindern viele Abende lang Seite für Seite und mit roten Ohren die Abenteuer von „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ oder dem frechen Piratenmädchen „Seeräuber Moses“ erlebt hat, weiß, wie erfrischt man sich nach so einer Lesereise in phantastische Welten fühlen kann. Und wie herrlich spannend es ist, am Ende eines Kapitels aufzuhören und ungeduldig darauf zu warten, wie es am nächsten Abend weitergeht.

Beim Vorlesen spüren Kinder, dass sich ihre Eltern ihnen zuwenden, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenken, für sie da sind. Aus meiner persönlichen fünfzehnjährigen Langzeitstudie kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass diese in Bücher investierten Stunden immer eine gute und wertvolle Zeit sind. Für einen selbst, weil es so viele tolle Kinderbücher gibt, die auch uns Erwachsene innerlich bereichern können. Für das Zusammensein mit den Kindern, weil es intensiv und lebendig ist. Und vor allem für unsere Kinder, weil sie in ihrer sprachlichen Entwicklung, ihrem Wortschatz und Ausdrucksvermögen und auch in ihrem Wissen und Vorstellungsvermögen davon reich profitieren. Und ja – irgendwann auch bei den Schulnoten. kb

Mein Buchtipp

Hans-Joachim Gelberg
Wo kommen die Worte her?

Ein fulminantes Werk für Kinder und Erwachsene, das Tür und Tor zu einer Sprachwelt ohnegleichen öffnet.aSag, wo kommen die Worte her? Diese Frage sandte H.-J. Gelberg aus, und rund 200 AutorInnen und IllustratorInnen antworteten ihm mit ihren Gedichten, Bildern und Bildworten – allesamt so unterschiedlich wie abwechslungsreich. Ein Buch der seltenen Art, wie wir sie lieben: gut gemacht für Kinder und Erwachsene.

Ab 3 Jahren | Beltz 2015 | 264 Seiten | 24,95 €

»Dieses Buch ist ein Schatz. Ein Leben lang.«

Dresdner Neueste Nachrichten

Zurück zum Seitenanfang